31.08.2016
Aufbruch von Cholmsk. Der Bus um 12Uhr nach Juzhno Sachalinsk hat um 11.55Uhr schon MECT HET, aber auf dieser Relation ist ein Bus selten allein. Um 12.03Uhr folgt dem Bus ein Sammeltaxi.Unterwegs irgendwann die stillgelegte Bahnstrecke, mindestens ein Viadukt steht auch noch in diesem Abschnitt, sonst ist vom Gleis aber nichts mehr zu sehen, aber das ist bei dieser hyperaktiven Vegetation auch nicht zu erwarten.
Der erste Eindruck der Inselhauptstadt ist erwartungskonform schrecklich, erinnert wieder an die zentralasiatischen Großstädte: viel zu viele Autos.

Das Stadtbild dagegen ist langweilig. Aber wir sind hier nicht zu Spaß, sondern um die weitere Reiseplanung voran zu bringen. Die wichtigste Anlaufpunk heißt dabei: Bi-Tomo, eine Agentur mit guten japanischen Kontakten. Bi-Tomo ist der einzige Verkäufer von Tickets für die vierstündige Katamaranfahrt von Korsakov vor den Toren Juzhno Sachalinsks nach Wakkanai auf Hokkaido. Für günstige $168, hust, hust, darf man an Bord gehen. Done that.
Das Museum zur Geschichte der Eisenbahn kooperiert offensichtlich nicht mit „ausländischen Journalisten“, es ist geschlossen. Also zurück zur Jetztzeit.
Der Bahnhof, ziemlich neu und nicht gerade schön, ist gesichert wie selten in diesem Lande. Zwar haben alle RZD-Bahnhöfe Metalldetektoren wie man sie von Flughäfen kennt, aber bisher war das Verfahren: durchlaufen, piepsen lassen, und gut ist.
Nicht so hier, hier wird nicht nur der Metalldetektor ernst genommen sondern auch das Gepäck durchleuchtet. Zudem gibt es irgendwann auch noch stichprobenartige Passkontrollen. Sachalin ist anders.

Die Premiumstrecke der Inselbahn führt von Juzhno Sachalinsk auf 613km Länge in den Norden der Insel bis nach Nogliki. Es gibt zwei Nachtzüge, einen Passazhierskij (Personenzug) mit vielen Halten und einen Firmenij mit weniger Halten und etwas kürzerer Fahrzeit. Teuer sind beide, ersterer etwas weniger als letzterer.

Die Buchungsanzeige meint zum Passazhierskij: „Poezd ne chodid!“ (Zug fährt heute nicht). Das widerspricht dem Aushangfahrplan und dem Kenntnisstand der Verkäufern, wird aber trotzdem richtig sein. Dass die Anzeige nicht nur recht behalten sollte, sondern am späteren Abend auch beim schnellen Zug „Poezd ne Chodit!“ stehen wird, ahnt wohl noch niemand.

Kurz nach 17Uhr steht der gewaltige Schmalspurzug bereit, er wartet mit 11 Wagen auf, führt aber kein PECTOPAH, nur normale Platzkart & Kupe-Wagen und einen Gepäckwagen Vorn eine klassische TG16, die neuen Maschinen sind vorerst wohl nur im Güterverkehr unterwegs.
Und Abfahrt! Fünf Kilometer geht es voran, bis zum Güterbahnhof. Dort ist Schluss. Irgendwann setzt sich eine Rangierlok ans Zugende und zieht uns die gefahrenen Kilometer zurück zum Hauptbahnhof wo diese Fahrt dann endet.

„Avirija“ (Havarie) ist das Wort des Abends. Die bisher makellos funktionierende RZD Maschinerie ist offensichtlich einfach stehen geblieben. Unglaublich.
Heute würden keine Züge mehr fahren, morgen vielleicht. Wenn man kein Hotel hätte, könne man auch im Zug übernachten, der würde hier stehen bleiben. Ah ha, das ist doch auch ein Angebot.
Alle Mitreisenden im Abteil verlassen den Zug, so habe ich ein Single-Kupe, im ganzen Wagen bleiben etwa 10 Personen, inkl. des Provodniks, der für den Service sorgt. Und der ist besser als in vielen fahrenden RZD-Zügen.

Natürlich wird der Samovar geheizt und befüllt. Und, noch besser, es gibt Mahlzeiten. Dass ich mir den Bauch vorher bei Bubo -einem Burgerbräter im Bahnhof– vollgeschlagen habe, ist da eher kontrapoduktiv, aber dort gibt es ein Wifi.
01.09.2016
Ein stehender Kupe-Wagen als Basislager hat schon was. Insbesondere, da der Service funktioniert. Der Bahnhof hier ist leider nicht unbedingt der beste Standort, aber für einen Schlechtwettertag wie heute auch ok. Nachdem ein wenig die Sicht frei rangiert wurde, sind die Schrott- und Einsatzreihen der Loks des Depo vor dem Fenster, als Höhepunkt des Tages bewegt sich tatsächlich die blaue TG16-068 hin- und her. Sonst hält sich die Aktivität auf den Gleisen an diesem Tage natürlich sehr in Grenzen. Irgendwann kommt die Kunde im Wagen an, dass auch heute nicht gefahren wird. Aber, kein Problem, man könne vorerst im Wagen „wohnen“ bleiben.

Aber was war eigentlich passiert? Mein Russisch ist für die Beantwortung der Frage dann doch nicht ausreichend, wenig Strom und selten für ein paar Minuten Wifi reichen auch nicht wirklich, um das Internet zu konsultieren. Im fernen Deutschland ist Martin dagegen bei der Webrecherche fündig geworden (Danke dafür!) : Ein Hangrutsch etwa 200km nördlich von Juzhno Sachalinsk hat die Strecke unter sich begraben, ein Güterzug konnte nicht mehr rechtzeitig gestoppt werden und zu allem Übel ist beim Aufräumen auch noch ein Arbeiter zu Tode gekommen. Verständlich, dass die Bahn hier gerade etwas Kopf steht und am liebsten garnicht fahren will.

Also Besichtigungsprogramm in Juszhno Sachalinsk, zum Hausberg über der Stadt. Dort kann man mit einer neuen Doppelmaier-Seilbahn hinauffahren. Die Marketingleute dieser österreichischen Firma müssen echte Meister sein. Wie schon an so manch anderen Orten auf dem Weg fragt man sich auch hier wieder, warum für die z.T. in der Waagerechten verlaufende Strecke eigentlich eine Seilbahn braucht. Das obere Segment ist aber leidlich steil, so gibt es von oben, in kurzen Sonnenmomenten einige nette Ausblicke, soweit das die Nebelsuppe unten zulässt.

Von dort dringen Pfeifsignale regelmäßig nach oben. Moment, das kann eigentlich nur die Pioniereisenbahn sein! Tatsächlich, auf 750mm dreht das kleine Zügle brav seine 2km-Runden im fahrplamäßigen Halbstundentakt. Das mutet etwas bizarr an, angesichts des Stillstandes der „große Schmalspurbahn“, die zum gleichen RZD-Betrieb gehört.
Am Depo gabele ich gleich den Chef des Ladens auf, der mir stolz erzählt, dass er 25 Kinder hier ausbildet. Bemerkenswert, dass das Cooperate Design der RZD nicht nur bis zum letzten Haltepunkt des Normalbetriebs reicht, sondern sogar bis hier. So hat der (einzige) Zwischenhaltepunkt „Pionier“ natürlich ein neues Schild im „PID-Desgin“, welches auch den Zaun des Depos ziert. Wirklich beeindruckend, solch ein militärisch geführtes Großunternehmen. Die Lok (TU10) scheint von PESA zu stammen, jedenfalls ähnelt sie sehr einer umgekippten Badewanne.

Um 18Uhr zurück am Hauptbahnhof, dort verkündet der Rukovoditel (Sprecher) der Sachalin-Bahnverwaltung seinen Fahrgästen das Buskonzept, was sich die Bahnverwaltung nun (24 Stunden nach Beginn des Stillstands) ausgedacht hat. Man darf sich nun registrieren für drei Busse die um 20Uhr fahren sollen nach Poronajsk, etwa in Streckenmitte, also ca 300km nördlich von hier. Von dort soll es per Zug weiter gehen. Drei Busse für zwischenzeitlich drei ausgefallene Züge, das sollte zu Überfüllung führen, so hoffe ich. Zudem ist da ja immer noch die Hoffnung, dass morgen wieder auf der Schiene gefahren wird. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt!

Stunden später. Wegen Strommangels im Wagen sitze ich mal wieder in der Bahnhofshalle zum Aufladen des Laptops. Nun aber drängt man die anwesenden Reisenden förmlich in die Busse – dabei hatte der Rukovoditel persönlich doch zugesagt, dass man auch heute noch im Kupe am Bahnsteig übernachten darf.
Eine Stunde später, zurück im Wagen, das gleiche Spielchen, man will die Wagen anscheinend plötzlich räumen. Aber es gibt da (mindestens) einen Fahrgast, der das nicht will.
Nunja, man könnte es Patt nennen. Ich darf bleiben, aber der Service wird eingestellt. Die Provodniki verschwinden, das Licht im Wagen bleibt nachts aus, der Samowar wird langsam kalt. Naja, alles nicht überlebenswichtig. Dank Dreikantschlüssel kann ich ja auch mein Abteil jederzeit von innen und außen abschließen und fühle mich und mein Gepäck so halbwegs sicher, denn der Bahnsteig ist ja bekanntlich von außen auch nicht ganz einfach einfach erreichbar.
02.09.2016
Nein, niemand hat mich in der Mitte der Nacht hinausgeworfen, am Morgen ist die Situation unverändert. Totenstille auf dem größten Bahnhof Sachalins.
Aber irgendwie ist das nun auch nicht mehr schön, einen Tag kann das ja nett sein, aber ein wenig mehr Progress könnte es schon geben.
Also „auschecken“. Immerhin gibt es heute wenigstens wieder fahrende Züge. Der einzige, der in Frage kommt, ist der Triebwagen nach Novoderevenskaja.

Das ist das östliche Gegenstück von „km 77“, also ein zweites Reststück der einstmals spannendsten Verbindung auf Sachalin zwischen Jushno und Cholmsk. Mal wieder sieht das Streckenende völlig unbedeutend aus, auch wenn es hier ein Bahnsteigdach im Nichts gibt.
Zurück in Jushno reicht mir am Bahnsteig ein Herr eine Canon-Kamera und bittet mich ein Foto zu machen, aber nicht irgendeins, nein er will direkt vor dem Triebwagen fotografiert werden. Leute gibt das….
Ivan kommt aus Moskau, ist Eisenbahner von Beruf aber offensichtlich auch Hobbyeisenbahner, hat er sich doch auch von Moskau per Bahn und Fähre bis hierher vorgearbeitet. Und, das Beste, Ivan spricht sogar gar nicht so schlecht deutsch, auch wenn er betont, dass seine Deutschausbildung 42 Jahre alt ist.

Fernzüge sollen heute jedenfalls immer noch nicht fahren. Noch schlimmer ist die Wettervorhersage: Düster für 10 Tage. Toll. Also viel Zeit für Museumsbesuche. Zufällig steht die Tür vom eigentlich doch geschlossenen Eisenbahnmuseum gerade offen, als wir aus dem Bahnhof gegenüber treten. Ein Sondertermin für eine Gruppe, wir schließen uns spontan an. Viel Zeit im Außengelände, drinnen ist dafür zu wenig. So heißt es wieder, soviel wie möglich fotografieren und hinterher studieren.

Das Heimatmuseum in der Stadt begeistert mich nicht so sehr, das Historische Museum, was Ivan auch noch auf dem Programm hat, spare ich mir dann gleich ganz.
Ivans Geschichte klingt dagegen spannend. Angefangen als Lokführer, später Bahnbetriebswerkchef, hat er es zwischenzeitlich bis ins Verkehrsminsterium in Moskau geschafft. Was er dort genau tut, ist nicht ganz klar, oder aber streng geheim, man weiß es nicht.
Ursprünglich wollte er auch er bis nach Nogliki fahren, hat aber angesichts der Probleme der Bahn jetzt nicht mehr genug Zeitreserven dafür und muß nun von hier direkt zurückfliegen. Schade. Aber wenn ich in Moskau vorbei käme, solle ich Bescheid geben…
Juzhno sucks! Ich hab keine Lust mehr, noch länger hierzubleiben. Im Bahnhof ist wie auch an den vorhergehenden Abenden ein „Listentisch“ aufgebaut, an dem man sich für eine Busbeförderung melden kann. Heute gibt es keine Alternative mehr 😐
Und dann beginnt die militärische Großübung. Zwischenzeitlich sind sechs Zugfahrten zu ersetzen, abzüglich des Inhalts von drei gestern wohl halbleer gefahrener Busse. So versammelt sich vor dem Bahnhof am Abend einiges an Publikum. Zunächst werden drei Menschentrauben gebildet, eine für den 31.8., eine für den 1.9. und eine für den 2.9. Da ich in der Traube mit den „ältesten Rechten“ bin, sind wir zuerst dran, als das Busmanöver startet: Sieben Stadtbusse (!) fahren vor, genug Kapazität für die erste Menschentraube. Und so geht es, nachdem jeder seinen Platz gefunden hat, relativ schnell los. Kolonnenfahrt durch die Stadt. Vorn eine Blaulichtpolizei und hinten eine, so macht das sogar ein wenig Freude.

Zur Fahrgastbelustigung ist fast minutengleich mit den Bussen der Prigorodnij-Zug nach Bikow gestartet und zeigt uns nun, z.T. In Parallelfahrt, dass das Gleis durchaus befahrbar ist…
Nach etwa zwei Stunden Fahrt eine Pinkelpause für alle sieben Busse, einfach auf einem Parkplatz ohne Klo. Das geht hier, militärisch durchorganisiert, in 10min. Man stelle sich das Geschrei in Deutschland vor…

Ebenso klappt das „kapern“ einer Tankstelle nochmals zwei Stunden später. So ein Stadtbus ist natürlich für eine 300km lange Überlandfahrt überhaupt nicht ausgelegt.
Und dann, fast punktgenau um Mitternacht und damit 5:30h seit Abfahrt ist meine längste Stadtbusfahrt zu Ende. Poronajsk, die zweite größere Stadt auf Sachalin. Der Zug steht schon da, das Platzeinweisen erfolgt relativ effizient, frei nach Lust und Laune. Die Abfahrt soll erst um 2:30Uhr sein, das war nicht anders zu erwarten, schließlich fehlen Menschentraube 2 und 3 ja noch. Das ist mir sogar sehr recht, ermöglicht es doch mehr Tageslicht am „anderen Ende“ Und, das Schlafen im stehenden Kupe habe ich ja nun hinreichend geübt.
03.09.2016
Der Norden Sachalins ist landschaftlich eher flach und dicht bewaldet, so ist das was am morgen vor dem Zugfenster vorbeizieht also wenig spektakulär. Aber hier geht es ja ums Prinzip. Einmal per Zug nach Nogliki musste einfach sein!
Nogliki ist einer der Dreh-, Angel- und Wendepunkte der Reise, schließlich ist Nogliki das wohl exklusivste Ziel, was man „mit der Deutsche Bahn“ erreichen kann. Hier liegt sozusagen ein berufliches Interesse vor!
Die DB-Auskunft für Nogliki: Ankunft 8.32Uhr (0:32Uhr Moskau-Zeit), das ist prinzipiell korrekt. Nur die Realtimedatenvorsorgung könnte besser sein. HAFAS rules!
Mehr zufällig trat dieses „Datenschmankerl“ bei einem Test im Büro zu Tage, als wir mal alle Bahnhöfe des DB-Datenbestandes den geografischen Koordinaten nach sortierten. Und da stand es dann ganz am Anfang der langen Liste: Nogliki, der östlichste Bahnhof der mit der DB zu erreichen ist…naja nicht ganz, aber zumindest der östlichste, den sie beauskunftet. Als dann irgendwann klar war, wo genau Nogliki überhaupt liegt, war die Idee für eine Reise nach Sachalin geboren…
Wie viele „extreme“ Orte lebt Nogliki von und für die Rohstoffindustrie. Der Norden Sachalins ist Zentrum der Ölbarone, die in Russland z.B. „Rossneft“ heißen. Die meisten Fahrgäste hierher sind daher für Rossneft beschäftigt, umfangreiche Tanklager erstrecken sich gleich am Bahnhof. Direkt davor gibt es einen Hubschrauberlandeplatz und wer nicht zum Einsatzort geflogen wird, steigt um in einen der bereitstehenden geländegängigen Lkw mit Personentransportcontainer.So sind schnell alle Mireisenden verschwunden.

Vor dem Bahnhof gibt es ein paar Häuser, eines davon soll ein Hotel haben, hat aber keines. Aber in einer Art Baracke nur unweit findet sich etwas: „U Voksala“ steht da an einem Schild, „Am Bahnhof“. Ein kleines Quartier, das sollte es tun.
Es gibt eine Küche, in der der Hausdrachen – anders kann man die Dame kaum bezeichnen – am TV sitzt und argwöhnisch beobachtet, was der Gast wohl anstellt.

Weitere Features des Hauses: die Tür klemmt so heftig, dass man jedes Mal sie so mit Gewalt zuschlagen muss, dass das Haus dabei einzustürzen droht. Es gibt keinen Schlüssel für die Ausgangstür und warmes Wasser ist ebenso Fehlanzeige. „Und gehen Sie ja nicht mit den Schuhen über den Flur, das könnte ja den Fußboden beschädigen!“ Also, kurz, Gäste sind eigentlich nicht vorgesehen. Ich bin prinzipiell relativ unempfindlich gegen schlechte Quartiere, aber wenn der Preis nicht passt, sehe ich mich leider gezwungen, ein wenig Bashing zu betreiben.

Die eigentliche Stadt ist etwa zwei Kilometer weit weg, aber es gibt einen Stadtbus, der alle halbe Stunde direkt vor dem Haus mit den typisch russischen Bussen bedient wird. Die Stadt selbst erinnert mich an so manche BAM-Stadt, Betonviertel und Holzviertel friedlich nebeneinander.
Etwas nördlich der Stadt fließt der Tym, und am kleinen Fischerhafen herrscht mächtig Betrieb. Eine etwas aufgepeppte Dönerbude versucht, türkische Kültür an dieses Ende der Welt zu bringen. Man weiß, dass es außer Döner essen für den Touristen hier nicht viel zu tun gibt, so dauert es Ewigkeiten. Aber der Laden brummt, schließlich ist heute ja auch Den Pobedy und da ist die ganze Stadt auf den Beinen.

Den Pobedy, „Tag des Sieges“ ist bis heute ein großer Feiertag in Russland. Das Datum bezieht sich auf das Ende des Zweiten Weltkrieges. Überhaupt ist der Zweite Weltkrieg und dessen Ende omnipräsent nahezu überall. Mahnmale stehen an jeder zweiten Ecke, zahlreiche Plakate und Transparente weisen überall auf ein hin. Der Höhepunkt war ein kompletter U-Bahn-Zug in Moskau im Ganzreklamekleid, der dem Tag des Sieges gewidmet war. Teilweise habe ich den Eindruck, dass das Kriegsende erst wenige Tage zurückliegt. Offensichtlich sind selbst die Offiziellen zu dem Ergebnis gekommen, dass die jüngere Geschichte Russlands nicht viel Ruhmreiches, Feiernswertes hergibt, wenn man diesen Tag bis heute so zelebrieren muss.
So wird, wie überall im Land auch in Nogliki ein Fest veranstaltet. Auf dem zentralen Festplatz ehrt man gerade Bürger, die sich für Irgendwas verdient gemacht haben. Für die Ruhmreichen reißt sogar die Wolkendecke ein Stück auf. Das ist das Signal zum Aufbruch. Schließlich steht am Bahnhof ein ruhmreicher Zug.
Von den zwei täglichen Zügen, die im Nachtsprung Nogliki mit Jushno Sachalinsk verbinden, führe heute nur der zweite, ist am Bahnhofs zu erfahren. Wie auch sonst, schließlich ist nur eine Garnitur heute morgen angekommen.

Etwas nördlich der Stadt gibt es noch einen Tagesordnungspunkt: Die Brücke über den Tym. Handelt es sich doch genaugenommen um zwei Brücken nebeneinander, eine unspektakuläre für die Straße nach Oscha und eine – viel gewaltigere – für den Fußweg neben der Straße. Richig, hier begann sie, die über 200km lange 750mm-Schmalspurbahn in den heute eisenbahnfreien Norden der Insel, sie verband Nogliki mit Oscha. Angeblich bis 2006 in Betrieb, sind die Spuren – außerhalb der Brücke – nahezu komplett beseitigt, kaum noch eine Schwelle erinnert an die Bahn. Schade.

Die Bahn wurde seinerzeit von Rossneft, dem Ölkonzern Russlands betrieben, heute bewacht Rossneft nur noch den letzten Prellbock der „Regelspurstrecke“ in Nogliki. Schon das Angucken von Ferne ruft einen Wachschutztypen auf den Plan. Bei Rossneft scheint man richtig was zu verbergen zu haben.
Tja, aber Djen Pobedy ist dort etwas anderes als bei uns. Bei uns wäre das der 9 Mai, da wirst Du kaum schon dagewesen sein… Im Osten dauerte der Krieg etwas länger.