20.09.2016
Hafen Tomakomai, 1:30Uhr: Leinen los! Als die große Winde direkt vor dem Fenster rumpelnd das dicke Tau aufrollt und damit die Abfahrt verkündet, habe ich schon Stunden tief und fest geschlafen. Hach ja, so eine Beförderung im Schlaf ist immer wieder schön. Warum schafft man es bei der Bahn vielerorts ab?

Ansonsten ein Tag pure Erholung auf See. Im Oberdeck gibt es eine nette Lounge, wo man am Fenster sitzen und die See, die Berge und die Atomkraftwerke draußen vorbeiziehen lassen kann. Und niemand fordert einen auf, ständig irgendwas zu bestellen, denn die Vorsorgung ist auch hier ausschließlich automatenbasiert. Davon gibt es aber gleich 10 verschiedene, von Pizza bis Kaffee alles da.

Gegen 12Uhr mittags sind wir auf Höhe Fukushima, leider macht die Küstenlinie hier einen Knick landeinwärts, so dass man ES eben nicht sehen kann. Naja, vielleicht auch besser so.
Blick aus der „Panorama-Lounge“.
Irgendwann darf der Nudelautomat beweisen was er kann. Nach Geldeinwurf zählt er im Sekundentakt von 90 bis 0 ehe das gewünschte Gericht freigegeben wird. Richtig, die Mikrowelle war gleich eingebaut.Irgendwann hat uns die Regenfront eingeholt, die heute Tokio beherrschen soll. Es wird unruhiger auf dem Wasser. Wir sind weit vor Plan. Das ist insbesondere komisch, da es sogar Prospekte gibt, auf denen minutengenau aufgelistet ist, wann welcher Leuchtturm passiert werden soll.

Um 16.30Uhr sind die Leinen fest. Es ist warm, willkommen im Süden! Der Süden wird hier repräsentiert von Oarai, einer kleinen Hafenstadt, etwa 100km nördlich von Tokio. Das Städtchen ist dicht bebaut, aber ruhig, kleine Sträßchen durchziehen den Ort.
Zum Bahnhof sind es etwa 2km. Dort fährt eine Privatbahn nach Mito. Der nächste Zug kommt drei Minuten nach Ankunft am Bahnhof, besteht aus Triebwagen im 80er-Jahre Design, von innen aber hübsch. Die Strecke nach Mito ist komplett aufgeständert, wohlgemerkt auf einer eingleisigen Diesel-Nebenbahn. Jetzt kommen wir anscheinend meinem bisherigen Japanbild wirklich näher, heureka!

Mito scheint nur aus riesigen Betonhotels zu bestehen, jedenfalls beherrschen sie das Bahnhofsumfeld. Und eines davon ist das Court-Hotel. Dort hat Booking.com mir gestern abend ein Zimmer für 39Eur angeboten, da kann man nicht meckern.
21.09.2016
Tokio ich komme! Wie könnte man das stilechter machen als mit dem Vorortzug zum Frühberufsverkehr?

Hinein ins Getümmel, hinein in die größte Metropole der (westlichen) Welt! Um 6.38Uhr ist Abfahrt in Mito. Im Zug findet sich allerdings noch für jeden ein Sitzplatz, wir sind mit 10 Wagen unterwegs und noch über 100km weg.

Eine halbe Stunde später sind es 15 Wagen geworden. Draußen vor dem Fenster Häuser, Häuser, Häuser. Irgendwann ward es viergleisig und wir waren ein Express. Am Bahnhof Ueno ist Schluss, schnell in den Zug gegenüber gequetscht und fünf Minuten später waren wir da: Tokyo Station! Uff.

Der Bahnhof wirkt recht unspektakulär, der Großteil findet im Keller statt. Irgendwo Plakatwände, die von einer DB-Ausstellung berichten und von einem „German Fest“. Aha.

Der Vorplatz ist recht ruhig, der Königspalast ist nicht weit. Auf dem Weg dorthin gibt es eine „Rest Area“. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Restaurant mit Gartenterrasse, ist es aber nicht, denn für die Vorsorgung gibt es wieder mal Automaten, man muss also auch hier kein Geld ausgeben, wenn man mal eine Rast machen möchte. Auch ein interessantes Konzept.

Hilflosigkeit. Was macht man hier? Ich habe keine Ahnung.

Aber dafür gibt es ja einen Baedeker. Warum ich ausgerechnet das Kapitel „Shopping“ lese, bleibt unklar, aber tatsächlich steht das was Interessantes. Empfielt das Buch doch den Besuch des Kato-Werkskaufhauses. Kato ist der Japanische Modellbahnhersteller schlechthin. Ok, ein ganzes Modellbahnkaufhaus hat man auch nicht alle Tage. Zudem ist es etwas außerhalb und da kann man das Angenehme (eine komplizierte Hinfahrt) mit dem Nützlichen (ausgiebige Shoppingbummel) verbinden und einen Eindruck von der Stadt gewinnen. Zunächst aber heißt es: ab in den Untergrund.

Die Neighborhood um den Modellbahnladen gefällt, viele kleine Gässchen, die die Stadt erstaunlich ruhig werden lassen, denn mit großen Autos kommt man hier gar nicht durch. Genial. Das Kaufhaus selbst ist nicht so spannend, das Angebot kleiner als gedacht.

Eine kleine Wanderung und schon am nächsten Bahnhof. Die Zugangsperre spuckt das Tagesticket (das teuerste was es für das Stadtgebiet gibt) verächtlich wieder aus. Not valid. Hmm, offensichtlich gibt es in der Hauptstadt des fortschrittlichsten ÖPNV-Wunderlandes keinen Verkehrsverbund. Es ist also ein Glücksspiel, ob irgendwo die Karte gilt oder nicht. Sie gilt bei der JR und bei beiden U-Bahnsystemen, aber welche der 87 Vorortbahnen zur JR gehört und welche nicht, geht aus keinem Plan hervor. Morgen Abend werde ich gelernt haben, dass mindestens 10 Linien eben nicht zur JR gehören. Mmmpf!

Shin-juk-tu, Shin-juk-tu! So schallt es im Sekundentakt aus dem Bahnhofslautsprechnern des gleichnamigen Bahnhofs im Südwesten der Stadt. Shinjuktu ist der Stadtteil, aus dem die typischen Tokiobilder kommen, hier liegt der verkehrsreichste Bahnhof der Welt (er konkurriert um die Titel mit einem Bahnhof in Bombay).

Direkt davor befindet sich auch gleich noch die angeblich verkehrsreichste Kreuzung. Kurz, hier tobt das Leben!
Da hier der Verkehr zum Großteil öffentlich ist, heißt das Fußgängerverkehr. Beeindruckend.

Die Zebrastreifen gehen nicht nur senkrecht über die Straße sondern auch noch diagonal quer über die Kreuzung. Und so ist die Kreuzung alle paar Sekunden schwarz von Menschen. Dann kommt wieder eine ruhige Phase, in der ein paar Autos fahren…welcome to Tokyo!

Ein großer Teil des Menschenstromes hat den Bahnhof als Ziel oder Quelle, so sammeln sich an den Bahnsteigen, an denen nun in dichter Taktfolge die Züge rollen, auch Menschen über Menschen. Das Ganze wieder sehr kultiviert. Wenn der letzte Wagen eines Zuges aus dem Bahnsteig raus ist, stehen die Fahrgäste für den nächsten Zug wenige Sekunden später schon brav an ihren Wartepositionen.

Unweit vom Bahnhof, so empfielt der Baedeker, gibt es das Governmental Building mit Aussichtsplattform. Der Blick auf das Lichtermeer der Stadt ist beeindruckend, aber leider verdecken andere Bauten den Blick zum Bahnhof. Schade.

Als das Grau des Tages dem Schwarz der Nacht weicht, ist Zeit das Quartier aufzusuchen. „Oak Hostel Cabin“ kling irgendwie interessant, denn ein Kapselquartier soll es in Tokio schon sein. Die Lage des Hauses ist ziemlich gut, direkt an einem der zahlreichen Kanäle mit Fenstern bis zum Boden und nettem Ausblick ins Wasser, sozusagen 20m direkt nach unten. In zwei Reihen sind die Kabinen übereinander gestapelt, insgesamt 24 je Raum. Drinnen gibt es Licht und Strom, ein Vorhang sorgt für ein wenig Intimsphäre. Besser als ein Großraumschlafsaal mit klassischen Dostobetten jedenfalls. Das Ganze kostet übrigens gerade 20Eur pro Nacht, wohlgemerkt in Tokio, das bestimmt nicht zu den billigsten Metropolen der Welt gehört.
Hallo Thomas,
auch wenn ich kein Japan-Fan bin, muß ich zugeben, das Deine Eindrücke und Bilder von Tokio recht interessant sind! Gruß Matthias