22.09.2016
Tokio. Es regnet. Und zwar heftig. Aber das Quartier ist gut.

Also einfach mal ein Waschtag mit einigen netten Gesprächen? Naja, fast.
Magda kommt aus Warschau, ist für drei Wochen in Japan und hat den Fuji schon bestiegen. Dafür gibt es wohl Permits und das auch nur für wenige Wochen im Jahr – und für dieses Jahr sind alle schon verbraucht.

Der Fischmarkt, angeblich der größte der Welt, ist ein Must Have in Tokio und fußläufig vom Quartier. Dortselbst herrscht statt hektischem Markttreiben relative Ruhe. Heute ist ein Feiertag, der zweite in dieser Woche. Mmmpf.
„Japaner arbeiten ständig“, schon wieder so ein Klischee was nicht so ganz funktionieren will.

Also ein wenig die Stadt erkunden. Ein paar Merkwürdigkeiten im Schnellbahn-Netzplan kann man sich ja schon mal ansehen.
In der Nähe der Canon-Zentrale entdecke ich durch Zufall inmitten der Stadt einen versteckter Schrein, wie es wohl viele gibt. Trotzdem ein kleiner Ort der Ruhe zwischen Hochhäusern, Auto- und Eisenbahnen, der irgendwie nicht so recht hier hinpassen will.

Das World Trade Center steht hier noch und hat auch eine Aussichtsplatttform. Eine kostenpflichtige, dafür ist der Ausblick etwas besser als der gestrige: gegenüber der Tokio-Tower, eine Art Eifelturm, zur anderen Seite Hafenanlagen.

Alles ist edler als gestern und das Licht gedimmt. So kann man in Ruhe einige Stunden dem quirligen Stadtleben unten zusehen wie auf einer Modellbahnanlage.

In mehreren Ebenen und mit zwei Spurweiten nebeneinander geht die Hauptachse der Bahn direkt am Haus vorbei, wird dabei von einer Monorail auf Stelzen gekreuzt, während ein Häuserblock weiter eine komische Automatik-U-Bahn Kehrschleifen über Brücken fährt. Die ganze Modellbahn ist jedenfalls völlig unrealistisch und total überladen, in der Wirklichkeit würde man so etwas niemals bauen, niemals!

23.09.2016
Verdammt ich bin in die falsche U-Bahn-Linie gestiegen! Das Netz wohl doch nicht ganz trivial.

Der Netzplan ist jedenfalls so eng bedruckt, dass es so aussieht,als wenn beide an der Hostel fahrenden Linien zum Bahnhof führen. In der Realität sind es auch nur 800m, die „meine“ Bahn den Bahnhof „verfehlt“, das ist also in 10min Fußmarsch korrigiert.
Das Ticketkaufen bei JR funktioniert blitzschnell, auch inklusive diverser Tarifrückfragen, denn es gibt durchaus noch Einsparpotenziale, die in der Fahrzeit nur wenige Minuten aber im Portemonnaie Einiges bedeuten können. Und einen „reserved seat“ braucht man natürlich auch nicht, schließlich ist um 10.30Uhr der Berufsverkehr vorbei.

Ja, Berufsverkehr, der „NOZOMI Shinkansen Super Express“, einer der schnellsten Züge der Welt, ist mehr oder weniger eine S-Bahn, in jeglicher Bedeutung dieser viel geschundenen Abkürzung.

Und so ist auch das Drumherum S-Bahn-Style. Zugang mit Bahnsteigsperre. Sieben Minuten vor Abfahrt, als ich den Bahnsteig erreiche, ist der Zug noch gar nicht bereit. Kann ja auch nicht, denn in der kurzen Kehrzeit beim 15min-Takt wird ja auch noch gereinigt. Und natürlich ist alles exakt im Plan. Punkt fünf Minuten vor Abfahrt öffnen sich die Türen, das Reinigungspersonal verneigt sich vor den ordentlich aufgereihten Reisenden und übergibt diesen den Zug. Eine Minute später sind alle ordentlich an ihren Plätzen.

Und – natürlich – pünktlich auf die Sekunde schließen die Türen und der „Super-Express“ hat sich Bewegung gesetzt. Ich glaube, die betrieblichen Herausforderungen dieses Fahrplans würden Bahnbetriebler fast überall sonst in der Welt in Panik versetzen. Hier verläuft alles total relaxt ohne jegliche Hektik, und stets ist ein Lächeln auf allen Gesichtern.
NOZOMI ist derzeit die schnellste Klasse Shinkansen. Nicht dass die Höchstgeschwindigkeit höher wäre, es sind alles die gleichen Fahrzeuge, der NOZOMI hält schlicht seltener als andere Shinkansen.

Musste jetzt einfach sein, da ich keinen JR Pass kriegen konnte und man NOZOMIS mit Pass nicht nutzen darf. Nach zwei weiteren Halten in Tokio ist dann auch freie Fahrt bis Nagoya, was schon mal 300km am Stück sind. Was dabei allerdings nicht endet, sind die Häuser vor dem Fenster. Wenn man nicht gerade in einem Tunnel ist (davon gibt es viele), sind immer welche zu sehen. Das Leben in einigen dieser Häusern dürfte wirklich was für hartgesottene Eisenbahnfreunde sein, denn gebremst wird wirklich nur an Haltebahnhöfen.

S-Bahn im wahrsten Sinne des Wortes. Und dabei bleibt es, drei Stunden lang bei 300km/h! Ein über 500km langer Ballungsraum. So etwas habe ich jedenfalls noch nicht gesehen. Es gibt es also wirklich, das Japan, was ich im Kopf hatte. Aber Japan ist eben nicht „nur“ 500km lang, sondern fast 2000km…
Hübsch. Das Bahnsteigfoto in Tokio ist an der gleichen Stelle aufgenommen, wo auch ich im November 2016 längere Beobachtungen angestellt habe. Touristen kommen offenbar immer zum Gleis 18 am Bahnsteiganfang.
300 km/h fährt der Zug zwischen Tokio und Osaka übrigens nicht. Die Höchstgeschwindigkeit wurde vor einem Jahr von 270 auf 285 angehoben. Da sieht man, wie schwierig es ist, bei einem 50 Jahre alten Hochgeschwindigkeitssystem noch etwas rauszuholen.
Und die Entspanntheit hat auch Grenzen: Wenn es knapp wird, wird das Bahnsteigpersonal nervös und drängt die Fahrgäste zum schnelleren Einsteigen. In Kyoto gab es starken Andrang wegen meiner Reisegruppe (20 stiegen aus, also auch 20 wieder ein und zwar ältere Leute) und da rannte das Personal schon über den Bahnsteig. Der Zug fuhr dann mit 22 Sekunden Verspätung ab.
Verschweigen sollte man auch nicht, dass nette Zugpersonal: Nach dem Durchgehen durch den Waggon verneigt es sich an der Tür immer.
Schön von Dir zu hören, ich bin gespannt auf Deinen Bericht.
Das gleiche Gleis dürfte Zufall sein, da vermutlich alle im Wechsel benutzt werden. Da ich ja weiter als Osaka gefahren bin, genau gesagt bis Okayama, stimmt dann 300km/h doch wieder, wenn auch nur auf den letzten 161km 😉