Dalnij Wostok

26.09.2016

Tag zwei auf der EASTERN DREAM.

Noch einmal die Uhr „vorwärts“ umstellen, die witzigen Zeitzonen machen es mir etwas einfacher zu vergessen, dass es eigentlich seit fast 10 Tagen „rückwärts“ geht.

 

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Night is over.

Im Schiffs-Cafe lässt es sich den Vormittag wieder gut aushalten, an den Nachbartischen ist nun russisch die dominante Sprache. Diesmal sind ganze sechs „foreigners“ an Bord, also Leute die nicht aus den Anrainerstaaten kommen, dominierend sind wieder mehrere große koreanische Gruppen, die vermutlich einen Ausflug nach Vladivostok und zurück machen. Die Russen schlagen mit 65 Personen zu Buche. Das hätte ich ganz anders erwartet.Immerhin ist das Schiff nicht nur ein Bespaßungsgerät, sondern transportiert auch noch Fracht. So sind in Donghae ca. 20 Bagger der Marke „Doosan“ a Bord verladen worden. Irgendwie erinnert mich das an den Klebstoff „Duosan“ seinerzeit im Osten. Wenn man eine Tube davon anzündete, hatte man eine Rakete…

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Inselwelt vor Vladivostok.

Und dann beginnt ein hübsche Inselwelt. Vladivostok sind diverse davon vorgelagert, meist unbewohnt. Ein Lotsenboot nimmt Kurs auf uns und am Horizont rückt die Stadt von beiden Seiten, näher und näher. Ziemlich spektakulär geht es mitten hinein.
Ein riesiger Strommast grüßt im Wasser verkündet Lenins Lehre eindrucksvollsten, schließlich ist ja Kommunismus definiert als „Sowjetmacht und Elektrifizierung“ oder so ähnlich.

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So sieht Sowjetmacht aus.

Dann eine elegante 180Grad-Kurve direkt vor der Downtown und wir waren da, mitten in der Stadt, gegenüber vom Bahnhof. Das nenne ich mal eine Schnittstelle. Auch wenn es noch Optimierungs-potentiale gibt, denn alles dauert (mal wieder) etwas länger, „because of Russia“, aber die RZD hat ihren Fahrplan natürlich auf die Japan-Fähre abgestimmt. So reicht die Zeit bequem zum Fahrkarten- und Supermarkteinkauf.

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Reflections.

Auf dem Bahnhofsvorplatz steht Lenin in seiner typischen Haltung und weist den Weg, sein ausgestreckter Arm zeigt eindeutig nach Japan, ein weiser Mann eben.
Achso, ja, dieser Bahnhof ist der östliche Endbahnhof der längsten Eisenbahnstrecke der Welt, der Transsibirischen Eisenbahn, der berühmte Kilometerstein „9288“ steht am Bahnsteigende. Trotzdem, dass der Bahnhof und überhaupt Wladiwostok für viele der Inbegriff des Ostens schlechthin ist, kann man von hier nicht nur mit dem Schiff durchaus weiter nach Osten fahren, das geht auch mit der Bahn: Der anschlussoptimierte Zug zur Fähre ist der 351 nach Sowejtskaja Gawan. Richtig, das ist der wirkliche Ostpol der Breitspurbahn, das hatten wir schon. Aber weil es so schön war, sitze ich wenig später in Wagen 12 eben jenes Zuges. Der stammt vom Waggonbau Görlitz, sozusagen aus dem Sowjetskaja Gawan Deutschlands.

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Traum-Schnittstelle.

Wenig später sind auch alle Abteilgenossen anwesend, eine Familie aus Vanino. Die Mutter ist zwischenzeitlich in Korea ansässig und ist gestern von dort (per Flugzeug) angekommen, was für ein Zufall.

Und Abfahren! Die Strecke auf ihren ersten (oder von Moskau gesehen letzten) Kilometern ist ganz nett, führt an diversen Pazfikbuchten entlang, wenn auch die Zivilisationsunsitten nicht zu übersehen sind. Aber morgen wird alles anders.

27.09.2016

Chabarovsk ist neben Vladivostok die zweite Großstadt hier in der Gegend, wir haben den riesigen Bahnhof pünktlich zum Aufstehen erreicht.

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Bahnhof Chabarowsk, Lenin fehlt.

Bauarbeiten und Güterverkehr. Vor dem Bahnhof die Tram, tatsächlich sind auch hier noch einige Rigaer „PCCs“ unterwegs. Gut, dann wäre auch das Programm für den Aufenthalt hier übermorgen geklärt.
Die Amurbrücke ist gewaltig lang, wenn auch baulich langweilig. Und dann hat der bunte Herbst begonnen – und die Einsamkeit. Folgte die Route bis Chabarowsk der Transsib, so geht es nun nordwärts auf der östlichsten Verbindungsbahn zwischen BAM und Transsib.

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Pampa dalnevostokska.

Zug 351 ist zum Lokalzug geworden und hält nun an jeder Milchkanne. Besser gesagt, manchmal war nicht mal eine Milchkanne da, sondern nur Birken, Birken, Birken, Birken.
Was dagegen da ist, sind andere Züge, gefühlt mehr als auf der Transsib südlich von Chabarovsk. An jeder Kreuzungsstelle einer, meist mit 3TE10M. Ob das ein gutes Zeichen ist?

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Ankunft in Komsomolsk, der Kreis ist geschlossen.

Komsomolsk. In der Hostel am Mira 5 will man meinen Ausweis gar nicht sehen, zeigt mir stattdessen die Kopie desselben. Hier bin ich nämlich schon bekannt. Andrey, mein Zimmergenosse in Raum 6 hat mich im Gegensatz zur Rezeption noch nicht gesehen. Trotzdem bin ich sofort eingeladen – zu Sascha – in Raum 10. Dort gibt es Borscht und Wodka mit Namen „Region 27“, das sei die hiesige. Eigentlich cool diese Willkommensgeste in Komosomolsk. Aber ich bin gestresst, brauche die Zeit doch eigentlich für weitere Planungensrecherchen.

Verdammt, gar nicht so einfach, das Reisen. Nie ist Feierabend.

28.09.2016

Den Bus am Morgen brauchte nicht zu recherchieren, den kenne ich schon. Es ist der Stammbus auf Linie 112, aber nicht der Stammfahrer. Und so zickt das Bus auch etwas rum. Oder hat er sich so erschrocken, mich nach einem Monat wieder zu sehen? Jedenfalls ist am Abend ein anderer Bus zur Stelle und bringt mich zurück über den Amur nach Komsomolsk.

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Herbst am Amur.

Über die Zeit dazwischen sollte ich mich eigentlich ausschweigen. Irgendwie will die Strecke heute nicht. Statt des im August üblichen Stundentakts pro Richtung gibt es vormittags (nach drei Stunden Nebel) erst keinen Zug ostwärts, dann nachmittags keinen Zug westwärts. Immer die Richtungen die man bräuchte. Arrgh!

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Herbst am Amur (II).

Natürlich ist es ringsrum bunt, das war ja da Grund warum ich nochmal hier aufschlagen wollte.

Am Abend heißt es schon wieder Abschied nehmen. Mangels Alternative per Firmenij-Zug, die Luxusmarke der RZD. Was ist wohl der Vorteil davon? Dass man saufen darf wie mein Nachbar es tut? Dass der Zug kein Restaurant hat? Oder dass einem sinnlose Souvenirs aufgeschwatzt werden?

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Abschied von Komsomolsk.

Jedenfalls befinde ich mich im Teuerzug (20 Eur im Platzkartnij für witzige 400km) irgendwann zwischen Schnappsleichen und schreienden Kindern. Das Wagenkonzept ist wirklich genial. Immerhin es stinkt nicht nach Fisch, Knoblauch oder Ähnlichem, wie sich das eigentlich für den Rinderoffenstall gehört. Tschuldigung.

29.09.2016

Chabarowsk. Mein Schweitzer Reisebegleiter René war im August nicht so begeistert, daher erwarte ich nicht viel. Der Plan ist hier ein paar Stunden Pause zu haben und dann Mittags mit dem „billigen“ Zug 99 die Transsib von hinten aufzurollen.

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Rossija in Chabarowsk.

Aber die Kasse will keine Visa so geht es an den Automaten. Und dort erweist sich der „billige“ Zug plötzlich als teurer Zug, denn es gibt noch eine Alternative: Zug 007, bisher nie gesehen, fährt immer dann, wenn die Touristenschleuder „Rossija“ nicht fährt, also jeden zweiten Tag. Zwar nicht bis Moskau, aber bis Nowosibirsk. Er kostet auf dem Stück bis Irkutsk (3000km) ganze 3000 Rubel (40Eur) weniger als Zug 99 und liegt zudem günstiger, ermöglicht er doch einen ganzen Tag in Chabarowsk.

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Postzug Rossija.

Achso, Zug 007 fährt übrigens auch in der Fahrplanlage des Rossija, das heißt, er ist viel schneller als Zug 99, im erwähnten Abschnitt macht das bescheidene sieben Stunden (!) Fahrzeiteinsparung, sprich 68 Stunden statt 75 Stunden. Solche Zahlen gibt es wirklich nur hier! Damit ist jedenfalls Zeit bis zum Abend, das Sonnenwetter auszunutzen.
Und da war er, der Solz der RZD, der „Rossija“, zusammen mit Zug 99 der längste Zuglauf der Welt. Ein Postzug, so scheint es. Gleich vier Post- und Gepäckwagen zieren jedenfalls die Spitze, dann ein PECTOPAH und ganze fünf(!) Personenwagen.

Ein Trauerspiel.

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Amerika ist nicht mehr weit.

Die Stadt ist besser als erwartet, man sollte eben nichts erwarten. Da hatte René Vorarbeit geleistet. Direkt an der recht hübschen Innenstadt grenzt wie in Komsomolsk der „große See“, der Amur. Auch hier gibt es keine Innenstadtbrücken über das mehrere Kilometer breite Wasser.

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Sonnenuntergang am Amur

Die ganze Stadt ist eine Stufe größer als Komsomolsk, vielerorts schießen zwischenzeitlich auch Businesstürme aus dem Boden, aber es gibt auch noch eine ganze Menge altes zu bestaunen.

Dazu gehören natürlich auch die auch hier noch fahrenden Rigaer, also PCC-Nachbauten, auf der Straßenbahn. Die Eisenbahn ist dagegen durchmodernisiert, der Cargo-Verkehr der im Transsib-Takt rollt,  wird grundsätzlich von dreiteiligen und nicht sonderlich schönen 3ES5K bespannt.

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Downtown Chabarowsk.

Der Abend beginnt am Stadtstrand und klingt gemütlich in der Bahnhofsbar aus, die sowohl Strom als auch WLAN bietet. Das ist doch auch schon mal was.

Um 23Uhr darf Zug 007 geboarded werden, damit hat die Transsib-Saga endgültig begonnen, 8500km sind es noch bis Moskau, nochmal 300 weitere zur ukrainischen Grenze, genau 8 Tage hat das Visum noch Restlaufzeit. Top, die Wette gilt!

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Und hier noch ein Stück Russischkurs: Heute „Schieno-Montasch“. Wie man hier deutlich sieht, handelt es sich tatsächlich um eine Werkstatt, in der Schienen montiert werden 🙂

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